Meerwasseraquaristik

Die Korallenriffaquaristik hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Inzwischen gibt es für den privaten Bereich kleine Nano-Komplettaquarien mit einigen wenigen Litern Inhalt, als auch Sonderanfertigungen mit einem Beckenvolumen von mehreren tausend Litern. Beides zu betreiben ist technisch möglich, beides kann auf seine Weise sehr spannend sein, wobei bei einem großen Aquarium nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die hohen Betriebskosten im Vorfeld berücksichtigt werden sollten. 

Was den Besatz angeht, so hat man bis vor einigen Jahren noch vorwiegend anspruchslose Weichkorallen unter T8-Leuchtstoffröhren gepflegt. Mittlerweile geht der Trend eher in die Haltung bunter Steinkorallenbecken. Dies wurde in den letzten Jahren vor allem durch die Verwendung moderner HQI/T5/LED-Beleuchtung, die Verwendung von modernen und energiesparenden Strömungspumpen und der Weiterentwicklung von Meersalzen und Spurenelementlösungen erst möglich. 

Auch in Sachen Nachzuchten hat sich viel getan und man ist in der Meerwasseraquaristik zumindest bei den meisten sessilen Tieren nicht mehr auf Wildfänge angewiesen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und bei einer Beckenneueinrichtung sollte der ökologiebewusste Meerwasseraquarianer Wert darauf legen, solche Nachzuchten zu bevorzugen. Auch bei den Wirbeltiere gibt es inzwischen vermehrt Nachzuchterfolge (siehe z.B. Pterapogon kauderni).

Jetzt aber eine kurze Vorstellung meines eigenen Riffaquariums

Aufnahme von 2009:

Lediglich Riffaufbau bestehend aus totem Riffgestein und Lebendgestein; noch ohne Besatz

Aufnahme von 2011:

Zu dieser Zeit dominieren vor allem die schnellwachsenden  Weichkorallen und Gorgonien

Aufnahme von 2013:

Zwischenzeitlich beachtliches Wachstum verschiedener SPS Steinkorallenarten

Aufnahme von 2018:

Nach langer Laufzeit nun auch große Korallenstöcke langsamwachsender LPS Steinkorallen. Außerdem erfreuen sich die beiden Hawai-Doktorfische Zebrasoma flavescens nach inzwischen neun Jahren Aquarienhaltung bester Gesundheit. 

 Betriebszeit
 seit 09/2009
Beckenmaße
Panoramabecken 140x70x60 (BxTxH) mit ca. 600L Volumen
Beleuchtung
Giesemann Aurora Hybrid 1200mm (4xT5 je 54W + 3 LED Panel je 75W)
 Wasserströmung
2 x ATI Propeller Pump SOW-15 (regelbar von 1.200 l/h bis 15.000 l/h)
1 x Tunze Turbelle nanostream 6045 zur Riffhinterspülung (konstant ca. 4500 l/h)

Rückförderpumpe: Aquabee UP 5000
Filtersystem
Tunze Abschäumer "DOC Skimmer 9410" mit Luftansaugung über ATI Carbo EX Luftfilter zur Beseitigung von CO2 aus der Umgebungsluft

Aqua Medic Helix Max 2.0 UV-Filter (36W)

Außerdem:
- ca. 30 KG Lebendgestein
- ca. 20 KG Aragonitsand als Bodengrund im Hauptbecken
- hin und wieder temporär Filterwatte für wenige Tage
- hin und wieder Fliesbettfilter mit Kohle bzw. Phosphatadsorber

Algenrefugium besetzt mit Caulerpa taxifolia, Drahtalge Chaetomorpha sp. und Rotalge Gracilaria
Calcium- und   Carbonathaushalt
Balling-Methode, täglich 
- 300ml Calciumchlorid-Dihydrat
- 300ml Natriumhydrogencarbonat
- 300ml NaCl-freies Meersalz

 Zugabe erfolgt manuell bzw. bei Bedarf über Dosierpumpe ATI DP-6
Magnesiumzugabe
Über Wasserwechsel bzw. bei Bedarf nach Balling über
- Magnesiumchlorid-Hexahydrat
- Magnesiumsulfat-heptahydrat
 Sonstiges
Je nach Zustand des Beckens gelegentlich/dauerhaft:
- Phytoplankton nannochloropsis salina als Nahrung (eigene Herstellung)
- Synechococcus sp. zur Vermeidung von Cyano-Belägen (eigene Herstellung)
- BACTO REEF BALLS von Fauna Marin
- "Trace 1", "Trace 2" und "Trace 3" Spurenelementlösung von Fauna Marin 
- Reef ICP Meerwasser-Labor-Analyse
Wasserwechsel
monatlich ca. 10%
Aktueller Besatz:
1 x Echter Mirakelbarsch (Calloplesiops altivelis), 1 x Gelber Langnasen Pinzettfisch (Forcipiger flavissimus), 1 x Gitterdoktorfisch (Acanthurus triostegus), 2 x Blaugelber Zwergkaiserfisch (Centropyge bicolor), 2 x König Salomon Zwergbarsch (Pseudochromis fridmani), 2 x Clownfisch (amphiprion ocellaris), 1 x Dreibinden Preußenfisch (Dascyllus aruanus), 1 x Sechspunkt-Schläfergrundel (Valenciennea sexguttata), 1 x Putzerlippfisch (labroides dimidiatus), 1 x Algenblenny (salarius fastiatus)

Kometenseestern (Linckia multifora), Schlangensterne (ophiocoma sp.), Einsiedlerkrebse (calcinus laevimanus), Globulus-Kletterseeigel (mespilia globulus), Pfaffenhut-Kletterseeigel (tripneustes gratilla), Trochus histrio Schnecken, 

Schwämme (collospongia auris, pseudosuberites andrewsi), pumpende Xenien (xenia umbellata), Bäumchenweichkoralle (capnella imbricata), Pilzlederkoralle (sarcophyton sp.), Ohrenlederkoralle (sinularia dura), Gorgonien (pinnigorgia sp., plexaura flexuosa), Kalkachsenkoralle (briareum sp.), Scheibenanemonen (discosoma sp., rhodactis sp.), Kupferanemone (entacmea quadricolor), Krustenanemonen (zoanthus, terrazoanthus), blaue Koralle (heliopora), LPS-Steinkorallen (echinopora, pavona decussata, hydnophora rigida, caulastrea furcata, euphillia), SPS-Steinkorallen (montipora, acropora, pocillopora, seriatopora, porites cylindrica, stylophora pistillata milka)

Die Becken:
Das Hauptbecken (600l Panoramabecken) befindet sich im Wohnbereich und drei weitere Becken befinden sich ein Stockwerk tiefer im Keller. Bis auf das Nachfüllbecken sind alle Becken über einen gemeinsamen Wasserkreislauf miteinander verbunden):
- Technikbecken (120x40x50) mit Abschäumer, Heizung, Filtermaterial, Rückförderpumpe 
- Nachzuchtbecken/Algenrefugium (130x60x40) mit Korallenablegern und Makroalgen
- Nachfüllbecken (80x35x40) mit Osmosewasser (über Zajac Pegel Plus Steuerung)
Dadurch ist der Betrieb des Hauptbeckens im Wohnbereich sehr ruhig, das Wasser wird durch den Wasserkreislauf Wohnbereich/Keller, vor allem in den Sommermonaten, automatisch gekühlt und ständig wiederkehrende Arbeiten wie Wasserwechsel, Wasserwerte messen, ... müssen nicht im Wohnbereich gemacht werden. 

Die Stromversorgung:
Was die Stromversorgung angeht, so ist meine Meerwasseranlage vom "normalen" Haushaltsstrom durch zwei eigene Sicherungsautomaten und zwei eigene FI-Schutzschalter getrennt. Dabei sind Aquarientechnik und insbesondere die beiden Strömungspumpen so auf beide Stromkreise verteilt, dass im Falle einer Überlastung bzw. eines Fehlerstroms die Wahrscheinlichkeit relativ groß ist, dass zumindest ein Teil der Technik weiter in Betrieb bleibt. Dieser Mehraufwand war es mir wert. Bei einem Totalausfall der Stromversorgung kann bereits nach wenigen Stunden der Sauerstoffgehalt im Salzwasser so gering sein, dass nach und nach der komplette Besatz stirbt. Bei einem Riffaquarium mittlerer Größe und einer Standzeit von ein paar Jahren geht der Schaden dann schnell in die Größenordnung von mehreren tausend Euro.

Nachfolgendes Video (Laufzeit ca. 10 min) soll zum einen mit der gezeigten Farben- und Artenvielfalt, der harmonischen Bewegungen der Meerestiere, untermalt mit entspannender Hintergrundmusik zum Träumen einladen. Die in der Strömung wiegenden Weichkorallen, Xenien, Gorgonien und Anemonen stehen im Kontrast zu den farbenprächtigen Steinkorallen. Wer genau hinsieht, erkennt die jungen Babyfische im Maul eines Kauderni Kardinalbarsch-Männchens, beobachtet wie ein Einsiedlerkrebs versucht sein Zuhause zu wechseln bzw. erkennt die plötzliche Hektik der Fische bei der Fütterung. In seiner Gesamtheit ist dieses, wie auch jedes andere Meerwasseraquarium ein einmaliges Kunstwerk und das Zusammenspiel der hier gezeigten Fisch- und Korallenarten wird es in der Natur so nicht geben. Die eingesetzte Technik, die Filtermethoden, die Pflegemaßnahmen, der Riffaufbau und vor allem die Auswahl der Tiere entscheiden darüber, ob ein Zusammenleben bzw. das Wachsen und Vermehren von Korallen, Weichtieren und Fischen auf diesem engen Raum möglich ist. Der Meerwasseraquarianer hat hier also eine große Verantwortung und ist im Wesentlichen mitverantwortlich wie der Zustand seines Beckens ist. Meerwasseraquaristik ist mehr als ein Hobby, als ein in den Zoohandel gehen und sich ein paar bunte Fische nach Hause holen. Wir müssen die Zusammenhänge verstehen lernen, die Tiere mit all ihren Bedürfnissen beobachten und versuchen diese nachzuzüchten. Die Zeiten in denen Wildfänge von weit her importiert werden und dabei teilweise über 60% der Tiere noch im Herkunftsland sterben, sollen vorüber sein.

Zum anderen soll dieses Video aber auch aufmerksam machen, wie sensibel und verletzlich ein solches Ökosystem und insbesonders unsere Weltmeere sind. So wie im Aquarium eine zu hohe Nährstoffkonzentration (Überfütterung!), zu hohe Wassertemperaturen (Sommermonate!) oder aber ungünstige Strömungs- und Lichtverhältnisse das Becken aus dem Gleichgewicht bringt und u.U. ein Massensterben auslöst, so sind auch unsere Weltmeere nicht grenzenlos belastbar. Die Zahlen sind alarmierend und wir müssen diese ernst nehmen, damit diese wunderbare Schöpfung erhalten bleibt. "Die tropischen Korallenriffe sind in 30 Jahren wahrscheinlich verschwunden, wenn weiter so viel CO2 ausgestoßen wird", sagte in einem Bericht erst vor Kurzem Prof. Dr. Jelle Bijma, Meeresbiogeologe am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. 
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